Arghhh… manchmal ist es zum aus der Haut fahren.

Kennt Ihr diese Kommentare von Internet-Trollen, die über ein Produkt, das sie nicht kennen, oder eine Dienstleistung, die sie nicht in Anspruch genommen haben, abhaten? Konstruktive Kritik oder Onlinebewertungen können wirklich wertvoll sein, und jedes Unternehmen (egal wie groß oder klein) ist gut darin beraten, sich diese genau anzuschauen! Und im Hinblick auf die Ästhetik? Jemand gefällt nicht, was wir machen? Auch kein Problem, bitte mit anderen Dingen glücklich werden.

Anders sieht es mit sinnlosen Hau-Drauf-Kommentaren aus, wie wir sie wiederholt auf unseren Social-Media-Plattformen erlebt haben. Ein Ausschnitt gefällig? Im Hinblick auf unsere im Erzgebirge handgearbeiteten und minimalistischen Räucherfiguren erhielten wir kürzlich Kommentare wie: „Mein Drechsler-Vater würde sich im Grab umdrehen“, „das ist Verrat an der Tradition“ oder „der Preis ist eine Frechheit und reine Abzocke“. Wer mit einem Finger auf andere zeigt, zeigt mit drei Fingern auf sich. Diese destruktiven Unterstellungen sagen also mehr aus über den Social Media Nutzer als über jene, die hier angefeindet werden. Ist ja auch ganz einfach, anonym und mit wenigen Tatenklicks seinen Unmut kundzutun und dann zack, wieder im Orkus zu verschwinden.

Aber wie darauf reagieren? Ignorieren, erklären, zurückschießen? 

Wenn wir diese Art von Kommentare erhalten, frage ich mich zuallererst immer sehr verwundert, was Menschen dazu bewegt, ihre wertvolle Lebenszeit so zu verschwenden. Ist die Genugtuung, die sie dabei empfinden, oder das Dampf ablassen so befriedigend für sie? Dann regt sich bei mir Widerstand. Ich kann den Vorwurf der „Abzocke“ so nicht stehen lassen.

Also entscheide ich mich für die Reaktion „sachliche Erklärung“. Ich antworte: Was schlicht erscheint, sei nicht weniger aufwändig in der Produktion. Im Gegenteil, gutes Design bringe oft spezielle Anforderungen in der Produktion mit, komme dabei aber ganz leicht und unaufgeregt daher. Und weiter: Wer als Zwei-Personen-Unternehmen in deutschen Familienbetrieben größtenteils in Handarbeit produzieren lässt, Messer und Bohrer für Kleinstauflagen maßanfertigen lässt, nachhaltige Materialien verwendet, aufwändige Einzelteile individuell herstellen lässt, anstatt auf billige Massenware aus dem Ausland zu setzen, der kann und sollte auch keine Ikea-Preise aufrufen. 

Die Reaktionen darauf sind – es war nicht anders zu erwarten – haarsträubend. Zwei Beispiele: „Ich habe so etwas ähnliches für 14 Euro gesehen“ (Anmerkungen unsererseits: das würde nicht einmal die Produktionskosten einer Figur abdecken) und „Es ist ja löblich, dass Sie auf Nachhaltigkeit setzen, aber das sollte doch der Kunde nicht zu spüren bekommen.“ Hier regen sich Menschen auf, die überhaupt kein Interesse an unseren Produkten haben, keine Kunden sind oder werden wollen. Vielmehr meinen sie, sie würden heroisch als Stimme des potentiellen Kunden im Internet gegen Abzocke-Unternehmen und Turbokapitalisten vorgehen.

Jawohl! Ich fühle mich angegriffen.

Ihr merkt schon, ich fühle mich davon – auch stellvertretend für die Handwerksbetriebe und die Designer dieser Welt – angegriffen. Zum einen, weil diese Menschen, die selbstgerecht im Internet Stil-Polizei spielen und gegen „Abzocker“ wie uns vorgehen, nicht die investierte Zeit, die Expertise und die Leidenschaft der Holzkunstmeister zu würdigen wissen. Zum anderen, weil sie nicht sehen, wie viele Stunden eine Produktdesignern mit Skizzen, 3-D-Modellen, Prototypen und Co. verbringt, um etwas Schönes zu kreieren. Und drittens, weil ich es wirklich erschreckend finde, wie viele Menschen die Relationen zu den eigentlichen Preisen von Waren, die hergestellt werden, verloren haben. Lieber mehr von billig, als weniger von hochwertig – und das in einer Welt, die ökologisch gesehen mehr als aus den Fugen geraten ist.

Und wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich bei solcherart Kommentaren auch persönlich betroffen. Wir sind ein kleines Label und verbringen zu zweit hunderte von Nachtstunden nach dem Hauptjob und anstrengenden Familientagen mit Kleinkind mit Schleifen und Polieren im Keller, Social Media, Pressearbeit, Marketing auf der Feierabendcouch, Buchhaltung, Auswertung von KPIs und Steuern am Wochenende, Materialeinkauf, Kooperationen, Netzwerken, Händlerkontakten und vielen mehr in jeder Freizeitminute. All diese Stunden sind nämlich – und das werden viele Small Businesses kennen – überhaupt nicht eingerechnet in irgendeinen Produktpreis.

Also, wie damit umgehen?

Innehalten, atmen, es ziehen lassen… Haters gonna hate! Ich merke einen inneren Perspektivwechsel. Anhand der Ereignisse erkenne ich einmal mehr, dass ich liebe, was wir tun. Dass ich unsere Arbeit heroisch verteidige und wirklich, wirklich intrinsisch motiviert bin. Ein schönes Umparken im Kopf. Ich wünsche abschließend den kratzbürstigen Kommentatoren „alles Gute“ und sende „freundliche Grüße in die Heimat“ und nehme mir fest vor, einen Blogartikel über unsere Herstellungsbedingungen zu schreiben (im Sinne der Transparenz und weil ich wirklich stolz bin, wie wir es machen) und klappe das Notebook versöhnt zu.